Die 1. Historie sagt, wie Till Eulenspiegel geboren, dreimal an einem Tage getauft wurde und wer seine Taufpaten waren.
Bei dem Wald, Elm genannt, im Dorf Kneitlingen im Sachsenland, wurde Eulenspiegel geboren. Sein Vater hie Claus Eulenspiegel, seine Mutter Ann Wibcken. Als sie des Kindes genas, schickten sie es in das Dorf Ampleben zur Taufe und lieen es nennen Till Eulenspiegel. Till von Uetzen, der Burgherr von Ampleben, war sein Taufpate. Ampleben ist das Schlo, das die Magdeburger vor etwa 50 Jahren mit Hilfe anderer Stdte als ein bses Raubschlo zerstrten. Die Kirche und das Dorf dabei ist nunmehr im Besitze des wrdigen Abtes von Sankt gidien, Arnolf Pfaffenmeier.
Als nun Eulenspiegel getauft war und sie das Kind wieder nach Kneidingen tragen wollten, da wollte die Taufpatin, die das Kind trug, eilig ber einen Steg gehen, der zwischen Kneidingen und Ampleben ber einen Bach fhrt. Und sie hatten nach der Kindtaufe zu viel Bier getrunken (denn dort herrscht die Gewohnheit, da man die Kinder nach der Taufe in das Bierhaus trgt, sie vertrinkt und frhlich ist; das mag dann der Vater des Kindes bezahlen). Also fiel die Patin des Kindes von dem Steg in die Lache und besudelte sich und das Kind so jmmerlich, da das Kind fast erstickt wre. Da halfen die anderen Frauen der Badmuhme mit dem Kind wieder heraus, gingen heim in ihr Dorf, wuschen das Kind in einem Kessel und machten es wieder sauber und schn.
So wurde Eulenspiegel an einem Tage dreimal getauft: einmal in der Taufe, einmal in der schmutzigen Lache und einmal im Kessel mit warmem Wasser.
Die 36. Historie sagt, wie Eulenspiegel zu Quedlinburg Hhner kaufte und der Buerin fr das Geld ihren eigenen Hahn zum Pfande lie.
Frher waren die Leute nicht so gewitzt wie jetzt, besonders nicht die Landleute. Einmal kam Eulenspiegel nach Quedlinburg, da war gerade Wochenmarkt, und Eulenspiegel hatte nicht viel Zehrgeld. Denn wie er sein Geld gewann, so zerrann es wieder. Und er dachte nach, wie er wieder zu Geld kommen knnte.
Nun sa eine Buerin auf dem Markte und hielt einen Korb voll guter Hhner samt einem Hahn feil. Eulenspiegel fragte, was ein Paar Hhner kosten solle. Sie antwortete ihm: »Das Paar zwei Stephansgroschen.« Eulenspiegel sprach: »Wollt Ihr sie nicht billiger geben?« Die Frau sagte: »Nein.« Da nahm Eulenspiegel den Korb mit den Hhnern und ging auf das Burgtor zu. Die Frau lief ihm nach und sprach: »Kufer, wie soll ich das verstehen? Willst du mir die Hhner nicht bezahlen?« Eulenspiegel sagte: »Ja, gern, ich bin der btissin Schreiber.« »Danach frage ich nicht«, sprach die Buerin, »willst du die Hhner haben, so bezahle sie. Ich will mit deinem Abt oder deiner btissin nichts zu tun haben. Mein Vater hat mich gelehrt: ich soll von denen nichts kaufen noch ihnen etwas verkaufen oder borgen, vor denen man sich neigen oder die Kappe ziehen mu. Darum bezahl mir die Hhner, hrst du wohl?« Eulenspiegel sagte: »Frau, Ihr seid kleinglubig! Es wre nicht gut, wenn alle Kaufleute so wren! Sonst mten alle guten Kameraden schlecht bekleidet einhergehen. Aber damit Ihr des Eurigen gewi seid, so nehmt hier den Hahn zum Pfand, bis ich Euch den Korb und das Geld bringe.«
Die gute Frau meinte, sie sei wohl versorgt, und nahm ihren eigenen Hahn zum Pfand. Aber sie wurde betrogen. Denn Eulenspiegel blieb mit den Hhnern und mit dem Geld aus. Da ging es ihr wie denen, die bisweilen ihre Sachen aufs allergenaueste besorgen wollen: die betrgen sich manchmal zuallererst selbst.
So schied Eulenspiegel von dannen und lie die Buerin sich sehr erzrnen ber den Hahn, der sie um die Hhner gebracht hatte.
Die 87. Historie sagt, wie Eulenspiegel 12 Blinden 12 Gulden gab, so da sie meinten, sie knnten sie frei verzehren, zuletzt aber ganz schlecht dabei wegkamen.
Als Eulenspiegel landauf und landab zog, kam er einmal wieder nach Hannover, und da trieb er viele seltsame Abenteuer. Eines Tages ritt er eine Ackerlnge Weges vor dem Tor spazieren. Da begegneten ihm 12 Blinde. Als Eulenspiegel zu ihnen kam, sprach er: »Woher, ihr Blinden?« Die Blinden blieben stehen und hrten wohl, da er auf einem Pferd sa. Da meinten sie, es sei ein ehrbarer Mann, zogen ihre Hte und Kappen und sagten: »Lieber Junker, wir sind in der Stadt gewesen. Da ist ein reicher Mann gestorben, dem hielt man ein Seelamt und gab Spenden, und es war schrecklich kalt.« Da sprach Eulenspiegel zu den Blinden: »Es ist wirklich sehr kalt, ich frchte, ihr friert euch zu Tode. Seht her, hier habt ihr 12 Gulden. Geht wieder hin in die Stadt, und zwar zu der Herberge, aus der ich geritten komme« - und er beschrieb ihnen das Haus -, »und verzehrt diese 12 Gulden um meinetwillen, bis dieser Winter vorbei ist und ihr wieder wandern knnt, ohne zu frieren.« Die Blinden standen und verneigten sich und dankten ihm eifrig. Und der erste Blinde meinte, der zweite habe das Geld, der zweite meinte, der dritte habe es, der dritte meinte, der vierte habe es, und so fort bis zum letzten, der glaubte, der erste habe es.
Also gingen sie in die Stadt zu der Herberge, wohin sie Eulenspiegel gewiesen hatte. Als sie in die Herberge kamen, sprachen die Blinden: ein guter Mann sei an ihnen vorbeigeritten und habe ihnen aus Barmherzigkeit 12 Gulden geschenkt. Die sollten sie um seinetwillen verzehren, bis der Winter vorber sei. Der Wirt war gierig nach dem Gelde, nahm sie dafr auf und dachte nicht daran, sie zu fragen und nachzusehen, welcher Blinde die 12 Gulden hatte. Er sprach: »Ja, meine lieben Brder, ich will euch gut bewirten.« Er schlachtete, bereitete zu und kochte fr die Blinden und lie sie so lange essen, bis ihn dnkte, da sie 12 Gulden verzehrt htten. Da sprach er: »Liebe Brder, wir wollen abrechnen, die 12 Gulden sind fast ganz verzehrt.«
Die Blinden sagten ja, und jeder fragte den andern, ob er die 12 Gulden habe, damit der Wirt bezahlt wrde. Der erste hatte die Gulden nicht, der zweite hatte sie auch nicht, der dritte wiederum nicht, der vierte desgleichen; der letzte wie der erste hatten die 12 Gulden nicht. Die Blinden seufzten und kratzten sich die Kpfe, denn sie waren betrogen, und der Wirt desgleichen. Er sa da und dachte: lt du die Blinden gehen, so wird dir die Kost nicht bezahlt; behltst du sie, so fressen und verzehren sie noch mehr, und da sie nichts haben, erleidest zu zweifachen Schaden. So trieb er sie hinten in den Schweinestall, sperrte sie darin ein und legte ihnen Stroh und Heu vor.
Die 95. Historie sagt, wie Eulenspiegel starb und die Schweine whrend der Totenfeier seine Bahre umwarfen, so da er herunterfiel.
Nachdem Eulenspiegel seinen Geist aufgegeben hatte, kamen die Leute in das Spital, beweinten ihn und legten seinen Sarg in die Diele auf eine Bahre. Die Pfaffen kamen, wollten ihm Totengebete singen und fingen damit an. Da kam die Sau des Spitals mit ihren Ferkeln, ging unter die Bahre und begann, sich daran zu kratzen, so da Eulenspiegel von der Bahre fiel. Die Frauen und die Pfaffen wollten die Sau mit den Ferkeln wieder zur Tr hinausjagen, aber die Sau war strrisch und wollte sich nicht vertreiben lassen. Die Sau und die jungen Ferkel liefen kreuz und quer im Spital umher, sie sprangen und rannten ber die Pfaffen hinweg, ber die Beginen, ber die Kranken und Gesunden und ber den Sarg, in dem Eulenspiegel lag. Davon erhob sich ein Gerufe und Geschrei von den alten Beginen, so da die Pfaffen die Gerte fr die Totenfeier stehen lieen und zur Tr hinausliefen. Die anderen verjagten zuletzt die Sau mit ihren Ferkeln.
Da kamen die Beginen und legten den Sarg wieder auf die Bahre. Aber dabei kam Eulenspiegel umgekehrt zu liegen, so da er den Bauch gegen die Erde und den Rcken nach oben kehrte. Als die Pfaffen weggingen, sprachen sie: wenn die Beginen ihn begraben wollten, so htten sie nichts dagegen; sie aber wrden nicht wiederkommen. Also nahmen die Beginen Eulenspiegel und trugen ihn auf den Kirchhof - verkehrt herum, da er auf dem Bauch lag, weil der Sarg umgedreht war. So setzten sie ihn am Grabe nieder.
Da kamen die Pfaffen doch zurck und sprachen, welchen Rat sie auch dazu geben wrden, wie man ihn begraben solle: er wrde doch nicht wie die anderen Christenmenschen im Grabe liegen wollen. Dabei wurden sie gewahr, da der Sarg umgedreht war und da Eulenspiegel auf dem Bauche lag. Da begannen sie zu lachen und sagten: »Er zeigt selber, da er verkehrt liegen will. Danach wollen wir handeln.«